eine Hand zeigt auf einen Laptop, um die Gruppe der Digital natives zu visualisieren

Digital Native, Immigrant oder Outsider? Userverhalten und Online-Marketing

Die eigenen Kunden wirklich zu verstehen, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um als Online-Business Erfolg zu haben – dazu haben wir in unserem letzten Beitrag zur Zielgruppendefinition bereits einige Tipps gegeben. Ein Faktor zur Analyse der Zielgruppe ist dabei im E-Commerce besonders wichtig: Das digitale Surf-, Such- und Shopping-Vverhalten der eigenen Kunden.

Erst wer weiß, wie und warum sich die eigene Zielgruppe im Internet bewegt, kann sein Online-Marketing optimal gestalten. Die richtige Form der Werbebotschaft, die Platzierung von Online-Ads, das Webdesign der Homepage oder die Content-Erstellung sind allesamt abhängig vom spezifischem Userverhalten der Kunden im Netz. Um zu verstehen, welcher Nutzertyp die eigenen Kunden im Internet sind, geht es allerdings um mehr als Klickpfade. Hinter dem User steht ein Mensch mit Werten und Einstellungen, die sein Verhalten im Netz beeinflussen.

Im heutigen Blog-Beitrag schauen wir uns daher einmal genauer an, welche verschiedenen User-Typen im Internet unterwegs sind und was das für Ihre Online-Marketing Strategie bedeutet.

 

 

Digital Natives vs. Digital Immigrants: Userverhalten als Generationenkonflikt

 

 

Das wohl bekannteste Konzept, um das unterschiedliche Verhalten im World Wide Web zu beschreiben, ist die Trennung der Nutzer in „Digital Natives“ und „Digital Immigrants“.

Ein Digital Native, also „digitaler Einheimischer“, ist dabei eine Person, die in der digitalen Welt Zuhause ist. Das umfasst all die Menschen, die seit Geburt an mit Internet, E-Mails, Videospielen, Mobiltelefonen und Instant Messaging sozialisiert wurden. Geprägt wurde der Begriff mit seinem Gegenstück Digital Immigrant im Jahr 2001 durch den Pädagogen und E-Learning Experten Marc Prensky.[1] Laut Prensky führen die Allgegenwärtigkeit von Internet und technischen Tools für die nach 1980 Geborenen zu einer fundamentalen Veränderung ihrer Denkmuster und der Art und Weise, wie sie Informationen verarbeiten. Digital Natives seien es gewohnt Informationen sehr schnell und von überall zu erhalten, sie sind Fans von Multi-Tasking, ziehen Grafiken Text vor, arbeiten am besten in einem Netzwerk und erwarten sofortige Bedürfnisbefriedigung und kontinuierliche Belohnungen. Dieser fundamentale Umbruch in ihrer Arbeits- und Denkweise stehe dabei im Kontrast zu den Digital Immigrants, all denen, die mit Schnurtelefon statt Smartphone aufgewachsen sind. Prensky nutzt zur Veranschaulichung die Metapher der Sprache. Digital Natives sind Muttersprachler im Land des Internets und neuer Technologien, während Digital Immigrants die Sprache der digitalen Welt erst noch erlernen müssen – was sich mitunter in einem „starken Akzent“ ausdrückt: Sie drucken E-Mails und PDF-Dokumente extra aus oder rufen Personen ins Büro, um eine Website zu zeigen anstatt einfach den Link zu verschicken.

 

 

Als Pädagoge war es Prensky größtes Anliegen, neue Wege für die Unterrichtsmethoden der „digital immigrierten“ Lehrer oder Professoren zu finden, um ihre Schüler zu erreichen, die in der digitalen Welt Zuhause sind. Allerdings wurde das Konzept von unterschiedlichen digitalen Fähigkeiten und Kenntnissen schnell auch für das Marketing entdeckt. Als Beispiel sei etwa das Bedürfnis eines Konsumenten nach mehr Mobilität gegeben: Ein Digital Immigrant würde hier über einen klassischen Autokauf nachdenken, während sich der Digital Native eine Car-Sharing-App oder UBER auf das Handy runterlädt.

 

Kritik an Prensky: Beim Userverhalten geht es um mehr als das Alter

Mit der steigenden Popularität von Prenskys Gegenüberstellung der digitalen Eingeborenen und Immigranten wurde allerdings auch Kritik an der These lauter. Einer der wichtigsten Kritikpunkte ist, dass das Alter bzw. das Geburtsjahr als hauptsächliches Unterscheidungskriterium ungenügend sei. Tatsächlich bestimmt eine deutlich komplexere Reihe an Faktoren, ob und wie PC, Internet und Co. genutzt werden. Eine Nicht-Nutzung muss beispielsweise nicht nur an fehlenden Fähigkeiten liegen, sondern kann auf einer wertebasierten Ablehnung oder an unzureichenden finanziellen Mittel liegen. Damit lässt die zu simple Einteilung ein wichtiges gesellschaftliches Problem außen vor, den Digital Gap. Auch Perskys Thesen über die Veränderung der Denkmuster, die so weit geht, dass er vermutet, die mit Internet und PCs aufgewachsene Generation habe „physiologisch veränderte Hirne entwickelt“ [2] ist wissenschaftlich nicht haltbar.

Eine differenziertere Unterscheidung der Online-Usertypen macht auch aus dem einfachen Grund Sinn, dass die Gruppe der Digital Immigrants logischerweise immer kleiner wird. Es wird also immer wichtiger, nicht zu fragen ob das Internet und Technologie genutzt werden, sondern wie. Und diese Art und Weise, wie User das Internet nutzen, hängt nicht nur von ihrem Alter, sondern ebenso von ihrer sozioökonomischen Stellung sowie ihren Werten und Einstellungen ab. Mit den digitalen Sinus-Milieus stellen wir im nächsten Schritt daher einen Ansatz vor, der eine ganzheitliche Beschreibung des heutigen Userverhalten im Netz anstrebt.

 

Digitale Sinus-Milieus der Internet-Nutzer

Die digitalen Sinus-Milieus sind eine Typologisierung für das digitale Nutzerverhalten. Es werden 6 unterschiedliche Grundhaltungen unterschieden, die aus der Kombination der Werte -und Alltagswelten und dem konkreten Surfverhalten der Internet-User entstehen. Die Milieus verbinden dabei einen Programmatic Advertising Ansatz im Sinne von Echtzeit Nutzerdaten mit der Wertegrundhaltung der User. Ziel ist es, den „Menschen hinter dem User“ zu erkennen und so perfekt zugeschnittene Werbeinhalte auszuspielen.[3]

 

Veranschaulichung der Digitalen Sinus-Milieus der Internet-Nutzer

 

Die 6 digitalen Milieus unterscheiden sich dabei in ihrer Grundhaltung zum Internet, der Häufigkeit und Art der Nutzung sowie den Erwartungen an digitale Kommunikation. Im Folgenden stellen wir die 6 verschiedenen User-Typen vor und zeigen, welche unterschiedlichen Werbebotschaften sie präferieren.

  • Selektive: Die selektiven Internetnutzer sind souverän im Umgang mit Online-Inhalten, messen diesen aber nur eine untergeordnete Rolle im Alltag zu. Sie wägen ihren Internetkonsum bewusst ab und sind eher pragmatisch als unterhaltungsorientiert im Netz. Wichtigste Funktionen sind Banking, Nachrichten und Informationen sowie Produkt- und Preisvergleiche. Sie erwarten von Online-Botschaften Tiefe, Wertigkeit und eine klare Position. Das alles in professioneller und ästhetischer Form. Für auffällige Manipulation sind sie wenig empfänglich.

 

  • Vorsichtige: Die Vorsichtigen tasten sich an die digitale Welt noch heran. Sie nutzen das Internet zwar durchaus für Preisvergleiche, den Austausch von Bildern oder zur Navigation, sind aber im Gruppenvergleich unterdurchschnittlich häufig online. Sie vertreten eher konservativ-bürgerliche Werte und stehen vielen Online-Themen – insbesondere unter Datenschutzgesichtspunkten – skeptisch gegenüber. Digitale Botschaften für diesen Typ Internet-Nutzer sollten daher am besten bodenständig, harmonisch und nutzenorientiert formuliert werden.

 

  • Effiziente: Die Gruppe der effizienten Internetnutzer sieht im Netz vor allem ein Tool, das ihnen Alltag und Arbeit erleichtert. Sie buchen selbstverständlich Reisen oder Tickets online, nutzen digitale Navigation, vergleichen und recherchieren oder halten sich mit Web-News auf dem laufenden. Für sie ist Surfen dabei kein einfacher Zeitvertreib, sondern sollte einen persönlichen Nutzen bieten. Das erwarten sie auch von der digitalen Kommunikation: Botschaften sollten präzise und prägnant sein, ohne zu manipulativ oder überredend zu wirken.

 

 

  • Bemühte: Die Gruppe der bemühten Internetnutzer versucht im Rahmen ihrer Möglichkeiten an der digitalen Gesellschaft Teil zu haben. In dieser Gruppe ist der Altersdurchschnitt am höchsten, aber auch finanzielle Mittel sind oft Grund für die fehlende Möglichkeit der Teilhabe. Den Bemühten fehlt Orientierung im Netz, was die richtige Online-Kommunikation ausgleichen sollte. Also klare Botschaften, die Vertrauen erwecken. Für diese Gruppe ist auch ein intuitives Webdesign, das nicht überfordert, von besonderer Bedeutung.

 

  • Spaßorientierte: Diese Gruppe der Internet-User entspringt dem hedonistischen Milieu und ihr geht es bei der Internetnutzung vor allem um Spaß und Erlebnisse. Sie sind sehr oft online und Musik, Gaming und Reisen sind ihre wichtigsten Online-Themen. Man findet sie vor allem in den sozialen Netzwerken, auf Entertainment-Websites oder bei Streaming Dienstleistern. Von guter Kommunikation erwarten sie direkte, unverkrampfte Botschaften, die sie überraschen. Hier kommt unterhaltsamer Content wie Memes und GIFs besser an, als der klassische Marken-Slogan.

 

  • Souveräne: Die Souveränen sprechen die „Sprache des Internets“ und setzen on- und offline Trends – sie sind sozusagen die digitale Avantgarde. Diese Gruppe ist nahezu dauerhaft online und alles Digitale gehört selbstverständlich zum Lebensalltag hinzu. Sie sind stark vernetzt und mental, kulturell sowie geografisch mobil. Die richtige Ansprache dieser ambitionierten Gruppe ist individuell, trendbewusst, zeugt von Stil und bricht mit alten Grenzen.

 

Fazit

Bei der Analyse des Userverhalten der Kunden geht es nicht nur um situative Klickdaten, sondern auch um ihre grundlegenden Werte und Einstellungen zum Internet. Welche Erwartungen haben sie an Online-Inhalte und wie möchten sie diese am liebsten konsumieren?

Wer weiß, wie die eigenen Kunden im Internet ticken, kann seine Werbeinhalte und Produkte perfekt auf deren Ansprüche und Bedürfnisse anpassen. Etwa durch zugeschnittene Online-Ads oder eine individualisiert ausgespielte Website. So lässt sich jeder Nutzer Typ mit der richtigen Botschaft auf dem passenden Kanal erreichen.

 


 

[1] Marc Prensky: Digital Natives, Digital Immigrants (2001)

[2] Rolf Schulmeister: Gibt es eine Net Generation? Widerlegung einer Mystifizierung

[3] Sinus Institut: Digitale Sinus-Milieus